Alle Schülerinnen und Schüler der 8. Klassen haben seit dem Schuljahr 2017/18 die Möglichkeit, im Rahmen unseres Profils „Humanistische Bildung“ Altgriechisch als neu einsetzende Fremdsprache ohne Vorkenntnisse kennenzulernen.
Griechisch ist eine Sprache, die seit über 3000 Jahren permanent gesprochen wird. Natürlich hat sie sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Zwar kann man die Wörter entziffern und die meisten von ihnen aus dem Altgriechischen herleiten, aber das Neugriechisch, das heute in Griechenland gesprochen wird, ist mit dem Altgriechischen nicht mehr identisch.
In unserem Profil werden wir uns mit Altgriechisch beschäftigen, d.h. der Unterricht findet auf Deutsch statt und die Sprache wird analysiert und die Texte werden übersetzt. Dabei entsteht eine genaue Übersicht über grammatische Strukturen sowohl in der Fremdsprache als auch in unserer Sprache. Die Kunst des Übersetzens ist es, die Aussage des antiken Autors möglichst originalgetreu und verständlich in unserer Sprache wiederzugeben. Dabei werden unter anderem Fähigkeiten wie Genauigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer benötigt und ebenso wie die sprachliche Ausdrucksfähigkeit trainiert.
Im Vergleich zum Lateinischen bietet uns die griechische Sprache ein ganz anderes Sprachmuster. Aufgrund der Sprachenvielfalt, die unser Gymnasium bietet, ist es uns Fremdsprachenlehrern auch ein besonderes Anliegen, bei Grammatikthemen möglichst sprachenübergreifend zu arbeiten und auch einen Schwerpunkt auf den Vergleich der deutschen Sprache mit der jeweiligen Fremdsprache zu legen, was dabei hilft, die deutsche Grammatik besser zu verstehen.
Mit dem Griechisch an unserem Gymnasium lernt man keine Fremdsprache, in der man sich unterhalten kann, aber „tot“ ist die griechische Sprache und Kultur doch nicht, denn die Wurzeln unserer heutigen europäischen Kultur liegen im antiken Griechenland und Italien. In Griechenland ist die erste Demokratie entstanden und aus dieser Sprache stammen Begriffe wie Biologie (die Lehre des Lebens), Astronaut („Sternenseefahrer“), Kosmos („Weltall“), Kosmetik („Schönheit“) und Atom („das Unteilbare“). Auch in Redewendungen finden wir die Antike wieder: in der Achillessehne, im Marathonlauf, im Kassandraruf, in einer Odyssee, im Pyrrhussieg, in einer Sisyphosarbeit, etc…
Die Wurzeln unserer Kultur im Original und Ursprung kennenzulernen, hilft dabei, sich in der heutigen Zeit zurechtzufinden. Die griechische Sprache liefert Fachbegriffe der Medizin, Pharmazie, Astronomie, Biologie, …, alltägliche Redewendungen. Wie sehr sie unser europäisches Verständnis und unser Hintergrundwissen prägt, sieht man in Theateraufführungen, der Musik und Kunst der letzten Jahrhunderte seit der Renaissance ebenso wie in aktuellen Karikaturen.
Wir möchten aber den Schwerpunkt unseres Unterrichts nicht nur rückwärtsgewandt auf die Antike richten, sondern uns auch aus heutiger Zeit mit diesen Texten, den Beispielen für menschliches Denken und Handeln, in Diskussionen kritisch auseinandersetzen. In welchem Kontext hat der- oder diejenige damals seine/ihre Entscheidung getroffen? Ist dieser Kontext in unsere heutige Zeit übertragbar? Welche Entscheidung würden wir an dieser Stelle heutzutage treffen? Solche Überlegungen helfen, bei strittigen Themen Stellung beziehen und sich ein eigenständiges Urteil bilden zu können. Indem man sich mit diesen Situationen auseinandersetzt, wird man gezwungen, die Situation moralisch und ethisch zu bewerten und entwickelt dadurch auch seine eigene Persönlichkeit ganz wesentlich.
Die antiken Texte liefern uns für solche Fragen viele Beispiele existenzieller Notlagen von Helden aus der Mythologie wie z.B. Odysseus, der nach langen Irrfahrten auf dem Meer die Chance auf Unsterblichkeit und das Leben an der Seite einer Göttin hat. Wird er sich gegen seine Familie entscheiden?
In den Tragödien antiker Dichter stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit der Hauptprotagonist persönlich Schuld an seinem Unglück hat. Oder ist etwa alles Schicksal?
Die Philosophieschulen der Stoiker und Epikureer bezogen schon früh Stellung zur Work-Life-Balance und der erste Geschichtsschreiber Herodot liefert Antworten auf die Frage, wer denn der glücklichste Mensch auf Erden ist.
Nicht zu vergessen ist Sokrates, der mit seinen Fragen seine Mitbürger auf ihr Scheinwissen stieß und sich deshalb in seiner Heimatstadt Athen äußerst unbeliebt machte und sogar vor Gericht gezogen wurde. Auch seine Verteidigung und sein Standpunkt, den er in dieser Rede darlegt, sollen im Unterricht behandelt werden.
Neben der Sprache an sich bietet der altgriechische Unterricht somit vielfältige Möglichkeiten für spannende Diskussionen und auch kreative Umsetzungen.
Natürlich werden wir auch in der Oberstufe eine Exkursion nach Griechenland anbieten und uns die Schauplätze von Tragödien und politischen Entscheidungen im Original anschauen. Weitere Exkursionen bieten sich bereits in der Mittelstufe an u.a. nach Rostock zum Archäologischen Institut sowie nach Berlin ins Antikenmuseum.
Ein besonderes Highlight des Griechischunterrichts und des Humanistischen Profils sind unsere Wochenendcamps, an denen wir uns schulintern in Wieck und schulübergreifend mit den anderen Profilschulen für Humanistische Bildung in MV treffen, um uns an einem Wochenende mit Themen zu beschäftigen, für die wir sonst keine Zeit hätten: So haben wir in den letzten Jahren Detektivspiele zur Mythologie gelöst, antike Hexen und Gespenster kennengelernt und Atlantis erforscht. Und das war noch längst nicht alles! Denn das Schöne an so vielen tausend Jahren Antike ist: Es gibt immer noch etwas Neues zu entdecken! Also bis bald – im Griechischunterricht des Jahngymnasiums! Wir freuen uns auf euch!